Betriebe-Gesetz geändert, Stadtwerk entfesselt

Michael Efler
Michael Efler

Heute ist ein großer Tag für die Energiepolitik in Berlin. Wir schaffen heute die Grundlage für einen echten Meilenstein, für die Umsetzung eines zentralen Vorhabens von Rot-Rot-Grün. Wir entfesseln die Berliner Stadtwerke.

Rede als Video

Aus dem Vorab-Wortprotokoll

7. Sitzung, 9. März 2017

lfd. Nr. 3.5:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 5

Gesetz zur Änderung des Berliner Betriebe-Gesetzes (BerlBG)

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Betriebe vom 13. Februar 2017 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 1. März 2017
Drucksache 18/0192

zum Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis90/Die Grünen
Drucksache 18/0116

Zweite Lesung

 

Dr. Michael Efler (LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Heute ist ein guter Tag. Ich würde sogar sagen: Heute ist ein großer Tag für die Energie- und Wirtschaftspolitik in Berlin. Wir schaffen heute die Grundlage für einen echten Meilenstein, für die Umsetzung eines zentralen Vorhabens von Rot-Rot-Grün. Wir entfesseln die Berliner Stadtwerke.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN –
Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich will ausdrücklich hinzufügen: Ich bin stolz darauf, dass wir das so schnell aus der Mitte des Parlaments heraus als Gesetzesänderung in enger Abstimmung mit der Senatsverwaltung hinbekommen haben.

Ich will noch zurückblicken und ein bisschen daran erinnern, wie es eigentlich dazu gekommen ist, dass wir heute hier darüber abstimmen, ob wir die Entfesselung der Stadtwerke vornehmen können. Es waren einige Menschen, die sich vor einigen Jahren außerparlamentarisch auf den Weg gemacht haben, um für eine soziale, ökologische und demokratische Energieversorgung in Berlin einzustehen. Sie haben das Mittel des Volksbegehrens ergriffen. Sie haben eine Initiative namens Berliner Energietisch gegründet, haben eine sehr große Mobilisierung – übrigens ohne bezahlte Unterschriftensammler – auf die Beine gestellt und haben es fast geschafft, ein sehr hohes Quorum hier in Berlin beim Volksentscheid zu überwinden. Das war die historische Genese. Ich will an dieser Stelle auch noch einmal ganz klar sagen – ich hoffe, dass sich viele Kollegen dem anschließen können –: Vielen Dank an den Berliner Energietisch! Ohne euch wäre es soweit nicht gekommen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und
den GRÜNEN]

Präsident Ralf Wieland:

Entschuldigung, Herr Kollege! – Ich bitte eindringlich, dass diejenigen, die nicht der Debatte folgen, sondern durch Gespräche stören, den Raum verlassen oder sich setzen und zuhören.

[Udo Wolf (LINKE): Genau, Herr Czaja!]

Herr Graf und Herr Luthe, ich warte auf Sie. – Dann können wir jetzt weitermachen.

Dr. Michael Efler (LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident! – Die inhaltliche Debatte haben wir in den letzten Wochen und Monaten geführt. Ich will dennoch noch einmal auf einige Gegenargumente eingehen. Wenn man hört, was hier alles eingewandt worden ist: Es wäre eine Geldverschwendung, es würde keinen Mehrwert darstellen, wir hätten ein unternehmerisches Risiko zu tragen – was für eine Überraschung bei einem Unternehmen, das sich im Wettbewerb bewähren soll –, wir würden Marktteilnehmer verdrängen, bis hin zu einem skurrilen Vergleich mit dem Protektionismus von Donald Trump. Das alles kam von der Opposition zu unserem Antrag zur Änderung des Betriebe-Gesetzes. Da hat man fast das Gefühl, wir würden hier einen volkseigenen Betrieb einführen, ein Kombinat schaffen

[Frank-Christian Hansel (AfD): Aber
auf kleinster Flamme!]

oder einen Energiesozialismus einführen. All das mag für Sie eine Drohung sein.

Ich will das mal ein wenig einsortieren. Ich gebe Ihnen Hilfe dabei, das nachzuvollziehen. Eine einfache Internetrecherche: Geben Sie mal „Stadtwerke in Deutschland“ ein! Da bekommen Sie eine Liste von exakt 1 093 Stadtwerken. Fast alle diese Stadtwerke haben ein weitaus größeres Aufgabenspektrum als die Berliner Stadtwerke. Viele dieser Stadtwerke werden von CDU-, einige sogar von FPD-Bürgermeistern regiert.

[Heiko Melzer (CDU): Die Stadtwerke
werden regiert?]

Alle großen Städte in Deutschland – Leipzig, Köln, Hamburg, München, Stuttgart usw. – haben Stadtwerke. Das heißt, Stadtwerke sind in Deutschland nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Das ist kein Teufelszeug, sondern vernünftige kommunale Wirtschaftspolitik.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und
den GRÜNEN –
Frank-Christian Hansel (AfD): Wenn
es Volumen hätte!]

– Sie haben bisher ein Volumen von 100 Millionen Euro Eigenkapital. Wenn das kein Volumen ist, weiß ich es auch nicht. – Ich glaube auch überhaupt nicht, dass Handwerksbetriebe oder Kleinunternehmen vom Stadtwerk verdrängt werden. Das ist völlig absurd. Das Gegenteil wird passieren. Das Stadtwerk wird weitere Impulse für die regionale Wirtschaft schaffen. Es wird weitere Arbeitsplätze durch Investitionen anregen. Deswegen ist es richtig und sinnvoll, dass wir für diese Einschränkungen, die absurd sind und von der CDU in der letzten Legislaturperiode durgesetzt wurden, heute endgültig abschaffen.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN –
Beifall von Daniel Buchholz (SPD)]

Ich will noch einmal in die Neunzehnhundertneunzigerjahre zurückgehen. Wir hatten damals unter der großen Koalition – das kann ich meinen Koalitionspartnern jetzt nicht ersparen – die Privatisierung der GASAG und der Bewag. Beides war eindeutig falsch.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Richtig!]

Wir haben damit Kontrolle und demokratische Steuerungsmöglichkeiten aus der Hand gegeben. Wir haben damit Kompetenzen in der Verwaltung verloren, und wir haben finanzwirtschaftlich davon nicht profitiert, denn es sind viele stabile Gewinne aus dem Netzbetrieb verloren gegangen. Das war ein Fehler. Wir sind dabei – ich freue mich, dass die SPD mitmacht –, das zu korrigieren. Wir wollen rekommunalisieren. Wir werden nicht mehr privatisieren. Wir wollen zurückgewinnen. Wir wollen redemokratisieren. Das ist ein großes Anliegen von Rot-Rot-Grün.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN–
Beifall von Daniel Buchholz (SPD)]

Was wir jetzt machen, ist noch nicht das Ende der Geschichte. Ich kann Sie beruhigen, da kommt noch sehr viel mehr im Energiebereich. Das ist noch lange nicht das Ende des Stadtwerks. Es ist hoffentlich der Beginn einer Erfolgsgeschichte. Ich freue mich sehr zu sehen, wie sich das in der Zukunft entwickeln wird.

Für uns ist es sehr wichtig, dass das Stadtwerk auch soziale Aspekte berücksichtigt. Wir wollen Energiearmut bekämpfen. Wir wollen weg von Energiesperren, von unsinnigen Schufa-Abfragen und solchen Dingen. Es geht mit Mieterstromprojekten und einer durchaus sozialen Tarifgestaltung schon in die richtige Richtung. 

Ich will mich am Ende noch einmal ganz herzlich bei allen in der Koalition bedanken. Ich will mich auch bei Frau Pop, die nicht mehr da ist – vielleicht kann es jemand von den Senatskollegen ausrichten –, für die gute Zusammenarbeit bedanken.

[Sven Rissmann (CDU): Die war
die ganze Zeit nicht da!]

Es ist ein guter Tag für Berlin. Ich freue mich, dass wir das geschafft haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN –Vereinzelter Beifall bei der SPD]

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