Mehr direkte Demokratie: Abstimmungsrecht geändert
"Rot-Rot-Grün hat im Koalitionsvertrag verabredet, die Menschen stärker an den politischen Entscheidungen zu beteiligen und sie auch gegebenenfalls selbst treffen zu lassen. Mit der Änderung des Abstimmungsrechts lösen wir einen wichtigen Teil dieses Versprechens ein." sagt Michael Efler.
64. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 1. Oktober 2020
Zu "Gesetz zur Anpassung des Abstimmungsrechts" (Priorität der Fraktion Die Linke)
Dr. Michael Efler (LINKE):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Versprochen – gehalten. Rot-Rot-Grün hat im Koalitionsvertrag verabredet, die Menschen stärker an den politischen Entscheidungen zu beteiligen und sie auch gegebenenfalls selbst treffen zu lassen. Mit der Änderung des Abstimmungsrechts lösen wir einen wichtigen Teil dieses Versprechens ein. Wir schöpfen dabei unseren einfachgesetzlichen Spielraum aus. Ich finde, es ist deswegen auch ein Tag zum Feiern.
Ich will noch einmal kurz zur Aktuellen Stunde von heute Morgen zurückkommen, auch wenn die Fraktion, die dazu gesprochen hat, gerade nicht zuhört. Herr Pazderski! Sie haben heute Vormittag mal wieder von den „Altparteien“ gesprochen und vermeintlich antidemokratischen Tendenzen in Deutschland und auch in dieser Stadt. Ich finde, Sie können vielleicht einmal anerkennen, dass das, was hier heute passieren wird, genau das Gegenteil davon ist. Wir schaffen mehr Demokratie. Ich finde, Ihr hohles Gerede, dass hier ständig irgendwelche Rechte unterminiert werden, ist damit auch entzaubert.
Das nicht erst seit heute, sondern das ist Politik in dieser Stadt seit 15 Jahren. Seit 15 Jahren werden die direktdemokratischen Verfahren in Berlin immer weiter ausgebaut und verfeinert. Ich finde, das hat dieser Stadt gutgetan. Viele politische Themen sind breit in der Stadtgesellschaft diskutiert worden, manches ist korrigiert worden, neue Themen sind auf die politische Agenda gekommen. Manche Initiatorinnen und Initiatoren von Volksbegehren oder Bürgerbegehren engagieren sich jetzt in der repräsentativen Demokratie. Einer spricht gerade zu Ihnen.
Das muss zwar nicht allen gefallen, aber man sollte es anerkennen, dass es Menschen gibt, die über solche Verfahren dann auch für die repräsentative Demokratie gewonnen werden können. Viele der direktdemokratischen Initiativen haben übrigens über Berlin hinaus Impulse gesetzt. Ich denke an die vielen Radbegehren und Radentscheide, die in zahlreichen Kommunen dieser Republik stattfinden oder an zahlreiche Bürger- und Volksbegehren, mit denen die Rekommunalisierung der Wasser-oder Energieversorgung gefordert wird.
Aber es haben sich in der praktischen Anwendung auch einige Mängel gezeigt, die wir jetzt mit diesem Gesetz weitgehend abstellen werden. Es wird Sie jetzt nicht überraschen, dass ich einige von denen hier aufzeige. Ich hoffe, dass wir möglicherweise am Ende, wenn wir dann hier abstimmen, eine große Einigkeit herstellen. Ich bin einmal gespannt, was insbesondere die FDP dann machen wird, die auch mal wieder auf das Pferd Volksbegehren in diesem Wahlkampf setzen will.
Zum ersten Punkt: Volksentscheide werden künftig grundsätzlich zeitgleich mit Wahlen durchgeführt. Das ist ganz, ganz wichtig, damit eben die hohen Quoren, die wir in der Verfassung haben, erreicht werden können. Ich gehe fest davon aus und erwarte es auch vom Senat, dass alle zukünftig stattfindenden Volksentscheide unabhängig von den politischen Inhalten auch mit Wahlen gekoppelt werden.
Zweitens werden feste Fristen für die amtliche Kostenschätzung und für die Zulässigkeitsprüfung des Volksbegehrens eingeführt. Wie nötig das ist, zeigt einmal mehr, ich habe es schon häufiger erwähnt, die Zulassungspraxis des Senats und der dafür zuständigen Innenverwaltung. Unfassbare 441 Tage hat es gedauert, bis das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ zu Ende geprüft worden ist.
Die Initiative für ein Transparenzgesetz wartet nunmehr seit 283 Tagen auf eine Entscheidung. In Zukunft wird das nicht mehr zulässig sein. Ich hoffe, der Senat hält sich daran; wenn nicht, handelt er rechtswidrig und wird dann eben gegebenenfalls gerichtlich korrigiert. Es wird zukünftig auch eine Kostenerstattungsregelung geben für Initiatoren von Volksbegehren nach dem Vorbild anderer Bundesländer. Das kennen wir von der Wahlkampfkostenerstattung. In Zukunft wird es auch für Initiativen, die Volksbegehren und Bürgerbegehren starten, einen Teilanspruch geben, Kosten quasi erstattet zu bekommen für die Information der Öffentlichkeit.
Dann, das ist eine Bestimmung – da müssen Sie von der FDP dann auch mal wieder ganz genau aufpassen –, die wird für Sie wahrscheinlich bei Ihrem neuen Volksbegehren auch zur Anwendung kommen: Wir erhöhen die Transparenz von Volksbegehren. Es gibt eine neue Anzeigepflicht von Spenden Dritter an die Träger des Volksbegehrens und auch für den Einsatz von Eigenmitteln.
Wenn Parteien eigene Mittel einsetzen, wird es in Zukunft auch transparenzpflichtig sein. Auch das, denke ich einmal, ist eine schöne Sache, damit von den Bürgerinnen und Bürgern gesehen wird, wer tatsächlich hinter einem Volksbegehren steht.
Auch auf Bezirksebene werden direktdemokratische Verfahren gestärkt, in dem der Senat nicht mehr so schnell in Bürgerbegehren hineingrätschen darf und es auch ein paar Erleichterungen bei Einwohneranträgen gibt.
Insgesamt ist es ein rundes Paket. Das wird aber hoffentlich noch nicht alles in dieser Wahlperiode sein. Wir hatten vorhin schon die Debatte über das Thema Transparenzgesetz. Auch das ist für uns noch eine ganz wesentliche Reform, die wir unbedingt durchsetzen wollte. Ich bin ganz sicher, Herr Geisel, dass Sie auch demnächst in diesem Haus einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen werden. Dann werden wir uns über die Inhalte unterhalten und zu guten Ergebnissen kommen.
Last but not least will ich mich noch bei den Kolleginnen und Kollegen Kahlefeld und Zimmermann für die gute und konstruktive Zusammenarbeit bedanken. Es hat Spaß gemacht. Legen wir noch einen drauf. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!