Bürger:innenrat fürs Klima beschlossen

Michael Efler

78. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses, 6. Mai 2021

„Klimaneustart Berlin“ Volksinitiative

Dazu: Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Annahme einer Entschließung
Drucksache 18/3304-1

Dr. Michael Efler (LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Berlinerinnen und Berliner! – Herr Freymark! Zu Ihnen komme ich später noch. – Zunächst einmal zum Bundesverfassungsgericht – das hat nämlich letzte Woche ein sensationelles Urteil verkündet: Das Klimaschutzgesetz des Bundes ist teilweise verfassungswidrig.

Klimaneutralität und die Bekämpfung der Erderhitzung haben jetzt Verfassungsrang: ein epochaler Fortschritt und Rückenwind für alle, die sich dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens verpflichtet fühlen. Ich glaube, das ist ein sehr großes Ereignis. Das können wir noch mal würdigen.

Das Urteil erzwingt, Klimaziele zu verschärfen, und zwar sowohl auf Bundesebene als auch hier in Berlin und weitergehend, wie Kollege Buchholz das eben vorgestellt hat, aber darüber werden wir uns noch beim Energiewendegesetz unterhalten.

Es zwingt auch dazu, einen Weg und einen Fahrplan zu erarbeiten, wie Klimaneutralität erreichbar ist. Hier genau kommt der „Klima-Bürger*innenrat“ ins Spiel, denn dieser kann hier einen wichtigen Beitrag leisten. Das will ich versuchen, kurz zu erläutern.

Eine so fundamentale Änderung wie Klimaneutralität kann nicht einfach staatlich verordnet werden. Wir brauchen dazu eine breite gesellschaftliche Verankerung und Akzeptanz. Gut gemachte Verfahren der Bürgerbeteiligung können dabei helfen.

In einem „Klima-Bürger*innenrat“, dessen Zusammensetzung – das ist ganz wichtig – durch das Losverfahren bestimmt wird, werden Filterblasen überwunden.

Menschen, die sonst nicht so viel miteinander zu tun haben, reden miteinander. Um mal ein Beispiel zu bringen: Der Bäckermeister redet mit der Hartz-IV-Empfängerin. Die Studentin redet mit dem Facharbeiter, und die Rentnerin aus Köpenick redet mit dem Hipster aus Mitte. Sie können die bezirklichen Beispiele gerne austauschen, wenn Sie sich damit besser fühlen, aber im Grunde geht es darum, dass Menschen, die sonst nicht so viel miteinander zu tun haben, miteinander sprechen.

Warum ist das gut? – Das ist nicht nur interessant und auch kein Selbstzweck, sondern es dient dazu, unterschiedliche Perspektiven auf das Thema kennenzulernen. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass sozialgerechte Handlungsempfehlungen erarbeitet werden, wie es der Beschlussentwurf auch vorsieht, denn – und das ist für uns ganz entscheidend – ohne sozialgerechte Maßnahmen wird es ambitionierten oder radikalen – im Sinne von an die Wurzel gehenden – Klimaschutz nicht geben. Deswegen ist dieser „Klima-Bürger*innenrat“ so wichtig, denn hier ist die Möglichkeit, auszutesten, was in der Gesellschaft Akzeptanz findet und was nicht.

Fragen wie energetische Sanierung, Finanzierung des ÖPNV oder Zurückdrang des Autoverkehrs oder des Flugverkehrs müssen angegangen werden. Sie haben aber auch gesellschaftliche Sprengkraft. Ein „Bürger*innenrat“ wird ein guter Spiegel dafür sein, welche Maßnahmen in der Bevölkerung Rückhalt haben und welche nicht.

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit?

Dr. Michael Efler (LINKE):

Nein! – Nun liegt ein Beschlussentwurf vor, der zugegebenermaßen recht knapp ausgefallen ist. Der eine oder andere weitere, vom Senat zu beachtende Eckpunkt wäre sicherlich gut gewesen. Das Wichtigste steht aber drin: Die Finanzierung wird sichergestellt, die wissenschaftliche Begleitung, die Verschränkung mit dem Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm und, auf Initiative meiner Fraktion, die Vorlage von sozialgerechten Handlungsempfehlungen im Sinne des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens. Das sind klare Leitlinien, und damit hat der „Bürger*innenrat“ einen klaren Rahmen, unter dem er arbeiten kann.

Herr Freymark! Ich habe angedeutet, noch zu Ihnen zu kommen. Sie haben – das war zu erwarten – nicht viel geliefert, außer das Übliche zu sagen, nämlich dass Sie Rot-Rot-Grün kritisieren, und dass Sie eine Enquete-Kommission wollen. Gegen dieses Instrument ist generell gar nichts einzuwenden, aber in diesem Fall passt es einfach nicht, weil es nicht diese von mir beschriebene repräsentative Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung ermöglicht.

Es ist außerdem zu langwierig und zu schwerfällig. Wir haben kein Erkenntnisproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem. Wir brauchen keine neue Kommission, die jahrelang tagt. Wir müssen jetzt zu Maßnahmen kommen und das gesellschaftlich verankern.

Deswegen ist ein Bürgerrat viel besser als eine Enquete-Kommission, die wir in der letzten Wahlperiode mit der Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ hatten. Die hat wertvolle Impulse geliefert, von denen wir vieles umgesetzt haben, aber jetzt noch eine weitere Kommission zu bilden, halte ich nicht für sinnvoll.

Jetzt ist aber erst mal der Senat am Zug. Es gilt, die Einsetzung des „Bürger*innenrat“ zügig, aber auch sorgfältig vorzubereiten. Schauen Sie sich die Erfahrungen mit „Klima-Bürger*innenrat“ an! Binden Sie Akteure und Institutionen, die sich damit auskennen, ein, und wir als Parlament sollten und müssen diesen Prozess sehr eng begleiten und darauf achten, dass ein hochwertiges Verfahrensdesign geschaffen wird, denn damit steht und fällt der Erfolg des gesamten Projektes.

Abschließend noch meinen Dank an die Initiative Klimaneustart, an alle Unterzeichnenden der Volksinitiative! Das ist natürlich vor allem euer Verdienst und euer Erfolg. Jetzt müsst ihr das Baby aber auch laufen lassen. Wir können uns alle auf ein spannendes und wichtiges Demokratieexperiment freuen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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